Herzfrequenzgesteuertes Ausdauertraining
Wie im Kapitel Laktat-Test ausführlich beschrieben, empfiehlt sich zumindest für den „Gesundheitssportler“ ein Training zwischen der 1. und 2. Laktatschwelle. Das Laktat entfaltet seine positiven „Hormonwirkungen“, die Laktat-Konzentration ist aber noch nicht so hoch, dass der Organismus sauer wird. Wurde eine Laktat-Test durchgeführt, dann kann eine klare Empfehlung gemacht werden, bei welcher Herzfrequenz trainiert werden soll.
Nun ist auch der Laktat-Test mit einigem Aufwand verbunden. Daher hat man versucht, an Hand von Formeln die Herzfrequenz abzuschätzen, bei der ein Proband wahrscheinlich im optimalen Herzfrequenzbereich trainiert.
Als eine wichtige Bezugsgröße wird dabei die sogenannte maximale Herzfrequenz (Max HF) herangezogen. Zur Ermittlung dieses Wertes wird in aller Regel eine Spiroergometrie (Beschreibung folgt) durchgeführt, in der eine stufenweise Steigerung der Belastung bis hin zur Erschöpfung erfolgt. Die Herzfrequenz steigt an bis zu einem Maximum, das typischerweise bei der maximal erzielten Belastung erreicht wird. Praktisch alle Untersuchungen zeigten, dass die maximale Herzfrequenz bei Ausbelastung mit dem Alter abnimmt. Die Altersabhängigkeit kann mit der Formel „Max HF = 220 Schläge / min – Alter in Jahren“ recht gut beschrieben werden.
Da eine Ausbelastung nicht nur ausgesprochen unangenehm für den Probanden ist, sondern auch in der Gruppe der Herzkranken mit einem nicht unerheblichen Risiko verbunden ist, wird meist als Ersatzparameter für die wirklich gemessene maximale Herzfrequenz die berechnete „Max HF“ verwendet.
An Hand tausender von Laktat-Testen und spiroergometrischer Untersuchungen – vor allen Dingen an Sportlern -wurden Verfahren entwickelt, mit denen eine zu empfehlende Herzfrequenz für das Ausdauertraining berechnet wird.
Die häufigste Verwendung findet dabei die
Karvonen-Formel:
(Max HF – Ruhepuls) x F + Ruhepuls (Wenn Max HF nicht bekannt: 220 – Alter),
wobei ein Faktor F angegeben wird, mit dem festgelegt werden soll, in welchem Trainingsbereich der Proband trainieren will:
- für das regenerative Training: F von 0,5 – 0,6 – kein Laktat-Anstieg
- für die Grundlagenausdauer I: F von 0,6 – 0,7 – Beginn der Grundlagenausdauer I bei LT1
- für die Grundlagenausdauer II: F von 0,7 – 0,8 – Ende der Grundlagenausdauer II bei LT2
- für den Entwicklungsbereich: F von 0,8 – 0,9 – Werte oberhalb LT2
- wettkampfspezifischer Bereich: F = 1,0 – Hohe bis sehr hohe Laktatwerte nach dem Endspurt, nicht zu früh!
Beispiel: 60 jähriger Mann, Ruhepuls 70 / min: empfohlene Herzfrequenz =((220 – 60)-70) x 0,7 + 70 = 133 Schläge / Minute
Will man einen vernünftigen Laktat-Anstieg erreichen, so sollte man zwischen LT1 und LT2 – bei einem Laktat von etwa 1 mmol /l über dem Ruhelaktat beginnen.
Beispiel für die Berechnung: Beispiel: 60 jähriger Mann, Ruhepuls 70 / min:
empfohlene Herzfrequenz =((220 – 60)-70) x 0,7 + 70 = 133 Schläge / Minute
Ich persönlich halte die hier angegebenen Herzfrequenzempfehlungen, die im Einzelfall ja ohne jeglichen Test gemacht werden, bei Leistungssportlern ja für denkbar, für Trainingsanfänger allerdings für nicht akzeptabel zu hoch! Lediglich wenn im Laktat-Test oder in der Spiroergometrie eine entsprechende individuelle Belastbarkeit nachgewiesen wurde, sind so hohe Trainingsherzfrequenzen sinnvoll.
Auch aus dem medizinischen Bereich gibt es entsprechende Empfehlungen, bei welcher Herzfrequenz trainiert werden sollte
Die Empfehlungen der American Heart Association
Die American Heart Association empfiehlt mit einer Herzfrequenz von 50 % der altersspezifischen maximalen Herzfrequenz zu beginnen und die Belastung im Laufe von 6 Monaten bis auf 85 % der altersspezifischen maximalen Herzfrequenz zu steigern!
Ich kann mich nicht erinnern, dass es mir jemals gelungen wäre, einen z.B. 60 jährigen Patienten zu einem Training bei einer Herzfrequenz von 80 Schlägen pro Minute zu motivieren! allenfalls gleich nach einem Infarkt oder bei einer Herzinsuffizienz! Andererseits habe ich selbst keinen 60 jährigen erlebt, dem ich ein Ausdauer-Training bei einer durchschnittlichen Herzfrequenz von 137 Schlägen pro Minute geraten hätte. Die 60-Jährigen, die ich gesehen habe, waren bei dieser Frequenz alle sauer, hatten alle deutlich zu hohe Laktat-Werte!
Ein interessanter Fall:
Wie problematisch solche als allgemein gültig vermittelten Empfehlungen sind, möchte ich Ihnen an Hand einer Patientin verdeutlichen (könnte noch sehr viele ähnliche Fälle anfügen!).
Eine 40 jährige Sportlehrerin, aktive Tennisspielerin, kam in die Praxis. Sie klagte darüber, dass Sie seit ca 3 Jahren nicht mehr leistungsfähig sei. Begonnen habe es mit einem Ebstein-Barr-Virus Infekt, mit dem Pfeiffer’schen Drüsenfieber. Die Erkrankung habe sich viele Wochen hingezogen. Anschließend sei sie körperlich nicht mehr auf die Beine gekommen. Beim Sportuntericht den Schülern etwas zu zeigen, sei fast nicht mehr möglich gewesen. Der Versuch, wieder Tennis zu spielen, sei jedesmal über Wochen mit stärksten Muskelschmerzen und Allgemein-Beschwerden verbunden gewesen. Auch jeder Versuch, das Training langsam wieder aufzunehmen, sei in ähnlicher Weise „bestraft“ worden. Sie habe versucht, bei einer relativ niedrigen Herzfrequenz von maximal 130 Schlägen pro Minute zu trainieren – mit gleichen körperlichen Beschwerden als Folge.
Beim Laktat-Test mit Spiroergometrie zeigte sich schon bei einer Herzfrequenz von 100 Schlägen pro Minute ein Laktat-Anstieg von in Ruhe 1,2 auf 5,0 mmol/l. Die Patientin protestierte, als ich daraufhin den Belastungstest abgebrochen habe. Nur mit der Erklärung, dass sie doch schon drei Jahre lang ohne Erfolg versucht habe, ihr Training wieder aufzunehmen, konnte sie veranlassen, eine Woche lang bei einer Frequenz von 95 Schlägen pro Minute etwa 1 / 2 Stunde pro Tag zu trainieren. Vereinbarungsgemäß stellte sie sich nach einer Woche wieder vor. Sie ging 10 Minuten aufs Ergometer. Bei einer Herzfrequenz von 95 Schlägen / Minute wurde das Laktat mit 1,0 mmol/l gemessen. Daraufhin wurde in der gleichen Sitzung die Herzfrequenz für 10 Minute auf 110 Schläge / min gesteigert. Das Laktat stieg auf 2,8 mmol/l an. Nach einer Woche Training für 45 – 60 Minuten / Tag bei 110 Schlägen / Minute, wurde nach 10 Min ihrer Trainingsherzfrequenz von 110 / Min wieder ein Laktat von 1,0 gemessen. 10 Minuten bei 120 / Min steigerten das Laktat auf 2,2 mmol / l. Nach 6 Wochen fühlte die Patientin sich wieder Leistungsfähig. Bei einer Herzfrequenz von 140 / Minute Anstieg des Laktat auf 1,6 mmol/l. Anschließend wurde die sich wieder fit fühlende 40-Jährige nicht mehr in der Praxis gesehen!
Das Beispiel zeigt, dass – zumindest in speziellen Fällen – eine individuelle Abschätzung der vernünftigen Trainingsherzfrequenz mittels Laktat-Test oder Spiroergometrie notwendig ist, um dem Trainingswilligen eine Chance zu geben. Und wenn Sie mich fragen, sind wir fast alle: besondere Fälle! Bedenkt man, wie viel man für seinen Sport ausgibt, für die „Klamotten“, den Tennis- oder Golfschläger, die Fahrten zum Sportplatz oder die Beiträge im Verein oder im Fitnessstudio, dann macht ein vernünftiger Start des Trainings Sinn, besonders, wenn man erkrankt war oder ist, bzw längere Zeit nichts mehr getan hat!
Zur Zeit werte ich die Ergebnisse von 100 Laktat-Testen von Männern und Frauen zu Beginn ihrer Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio aus. Die Ergebnisse: wie oft wäre eine Abschätzung der vernünftigen Trainingsherzfrequenz mit welchem der oben geschilderten Modelle zielführend gewesen.
Ein mittel Laktat-Test ermittelter Zielkorridor für die Trainingsherzfrequenz bei Ausdauerbelastung gibt an, bei welcher Herzfrequenz Sie ihr Training beginnen sollten. Mit zunehmendem Trainingserfolg wird aber auch das Laktat bei gleichbleibender Belastung nicht mehr über den Ruhewert ansteigen. Die Folge: Es findet keine wesentliche weitere Steigerung Ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit statt,
Eine Anpassung der Trainingsherzfrequenz sollte erfolgen.