Die Fettverbrennung sistiert nicht bei intensiver körperlicher Belastung
Nach einer Publikation: Lotz, Heinen, Stöcker, Beyer, Heinen; 2019
Wer vom optimalen Fettverbrennungspuls redet, hat in der Biochemie nicht aufgepasst!
Aus dem Verhältnis von ausgeatmetem CO2 und eingeatmetem O2 (dem respiratorischen Quotienten) kann in der Spiroergometrie ermittelt werden, wieviel Glucose bzw. Fettsäuren jeweils zur Energiegewinnung beitragen, zumindest in Ruhe. ( s.Indirekte Kalorimetrie )
Ein typisches Beispiel für den Verlauf des respiratorischen Quotienten (richtiger: der expiratorischen Austausch(exchange) Rate; RER) unter einer stufenförmigen Belastung (Steigerung der Belastung alle 4 Minuten um 40 Watt) bis zur Erschöpfung ist in der Abb. 1 gezeigt.
Wie unter dem Kapitel indirekte Kalorimetrie gezeigt, kann aus dem Sauerstoffverbrauch über das sogenannte kalorische Äquivalent von im Mittel 4,85 Kcal / l verbrauchtem Sauerstoff der Kalorienverbrauch berechnet werden, wobei allerdings das kalorische Äquivalent in Abhängigkeit vom RER, – also davon ob mehr Glucose oder Fettsäuren zur Energiebereitstellung verwendet werden -, geringfügig variiert. Die entsprechende Formel finden Sie hier. In den folgenden Daten wird das kalorische Äquivalent jeweils angepasst an den entsprechenden RER verwendet.
Tabelle 1 zeigt an, wieviel Kalorien die 8 Fußballer im Mittel während der ansteigenden Belastung verbraucht haben und wieviel der Kalorien aus der Oxidation von Fettsäuren bzw. Glucose entsteht, wenn man davon ausgeht, dass das gesamte CO2 in der Ausatmungsluft aus dem Verbrennungsprozess stammt. Zu den jeweiligen VCO2 und VO2-Werten s. Tabelle 2.
In der Abb. 2 wurde der Anteil der Fettoxidation und der Glucoseoxidation unter obigen Annahmen für die verschiedenen Belastungsstufen unserer Probandengruppe visualisiert.
An dieser Stelle sehen Sie ein typisches Bild, das zu der Aussage geführt hat, dass bei intensiver körperlicher Belastung nicht nur prozentual, nein auch absolut immer weniger Fettsäuren zur Energiegewinnung beitrügen, bei maximaler Belastung nur noch Glucose oxidiert würde. Dabei soll die Glucose gleichzeitig auch noch mit einem extrem niedrigen Wirkungsgrad zu Laktat abgebaut werden. Welcher wenig überzeugende Ingenieur hat sich nur so etwas ausgedacht?!
Nein, nicht schlecht konstruiert,
falsch beschrieben!
Einer der Protagonisten, der sich immens um die Spiroergometrie verdient gemacht hat, Wasserman, hat 1964 in seiner Arbeit darauf aufmerksam gemacht, dass der RER nur als Maß für den Anteil von Fettsäuren und Glucose an der Oxidation herangezogen werden dürfe , wenn keine andere Quelle für das ausgeatmete CO2 zur Verfügung stehe.
Wasserman et al haben 1973 allerdings gezeigt, dass mit dem Anstieg des Laktats im Blut bei zunehmender Belastung das Bikarbonat abfällt – ein Befund den wir auch bei unseren Fußballern erhoben haben, der allerdings auch bei jeder Spiroergometrie, bei der gleichzeitig eine Blutgasanalyse durchgeführt wird, zu sehen ist. Als Beispiel zeigen wir die Daten aus unserer Untersuchung an den 8 Fußballern in Abb. 3:
Leider haben Wasserman und auch die vielen anderen Forscher , die die gleiche Behauptung aufgestellt haben, es versäumt, nachzurechnen, wie groß der Anteil des ausgeatmeten CO2 auf Grund der Pufferung des Laktat ist. Somit hat sich die These durchgesetzt, dass die Menge an CO2, die in der Ausatmungsluft aus dem Abfall des Bikarbonats resultiere, vernachlässigbar klein sei. Ziel der von uns durchgeführten Untersuchung war es, zu untersuchen, wieviel ml CO2/ Minute bei höheren Belastungen aus der Pufferung des Laktat durch Bikarbonat resultieren.
Berechnung des Anteils der Pufferung an der Ausatmung von CO2 bei höheren, körperlichen Belastungen.
( Diese Aufgabe sollte von einem Schüler im Leistungskurs Chemie ohne weiteres lösbar sein!)
- Frage 1: was hat Bikarbonat mit CO2 zu tun?
- Antwort: Leitet man CO2 ins Wasser, so entsteht Kohlensäure, die sich in Bikarbonat und H+-Ion aufspaltet; ein reversibler Prozess, der in jedem Reaktionsschritt im Gleichgewicht steht.
Der Weg des CO2 im Organismus. Bei der Oxidation entsteht in der Zelle CO2. Dieses gelangt ins Blut. Dort verbindet es sich mit Wasser zur Kohlensäure. Beim physiologischen pH von 7,4 zerfällt die Kohlensäure zu 95 % in Bicarbonat– und Wasserstoffionen. Gelangt das Blut in die Lunge, so wird CO2 abgeatmet und über Kohlensäure aus Bicarbonat in einem von Enzymen, Katalysatoren, extrem beschleunigten Prozess nachgeliefert. Unter normalen Bedingungen wird so viel CO2 abgeatmet wie gebildet wird. Es besteht ein Gleichgewicht.
- Antwort: Leitet man CO2 ins Wasser, so entsteht Kohlensäure, die sich in Bikarbonat und H+-Ion aufspaltet; ein reversibler Prozess, der in jedem Reaktionsschritt im Gleichgewicht steht.
- Frage 2: In der Spiroergometrie werden die Mengen, die an CO2 ausgeatmet werden, im ml CO2 angegeben, die Angabe der Konzentration an Bikarbonat erfolgt in mmol/l. Wie erfolgt die Umrechnung?
- Antwort: Nach der thermischen Zustandsgleichung errechnet sich bei einer Körpertemperatur von 37°C für Gase ein Volumen von 25,4 l · mol -1 .
- Frage 3: Wieviel CO2 ist im Blut gelöst?
- Antwort: Bei 37 °C physikalisch gelöstes CO2 [mmol · l-1] ] = PaCO2 [mm Hg] · 0,0304 [mmol · l-1 · mmHg-1] (molarer Löslichkeitskoeffizient; Löffler & Petrides, 1988)
- Frage 4: wieviel Bikarbonat (HCO3–) ist im Blut vorhanden?
- Antwort: bei einem pH-Wert von 7,4 liegen 95,3 % des im Blut gelösten CO2 als HCO3– vor, nur 4,7 % als Kohlensäure. Sinkt der pH-Wert, so sinkt auch der Anteil des HCO3– am im Blut gelösten CO2.
- Frage 5: wie kann man die Gesamt-Menge des in 1 l Plasma vorhandenen CO2 berechnen?
- In einem Liter Serum sind bei einem CO2-Partialdruck von 40 mm Hg somit
25,4 ml · mmol -1 · 40 mm Hg · 0,0304 [mmol · l-1 · mmHg-1] also 31 ml CO2 physikalisch gelöst. Zusätzlich finden sich im Serum (bei einem pH von 7,4) noch im Mittel 24 mmol Bikarbonat · l-1, was weiteren 610 ml CO2 in 1 l Serum entspricht ( insgesamt also 641 ml CO2 / l Plasma
- In einem Liter Serum sind bei einem CO2-Partialdruck von 40 mm Hg somit
- Frage 6: Wie groß ist der Verteilungsraum des Bikarbonat im Organismus?
- Antwort: Roecker et al haben 2001 ein Verteilungsvolumen für das Bikarbonat von 25 % des Körpergewichtes bestimmt. Dieser Wert stimmt eng überein mit dem von Levitt, 2003 ermittelten Extrazellulärraum von ebenfalls ca. 25 % des Körpergewichtes.
- Frage 7: Wieviel CO2 sind im Körper gelöst bzw. liegen als Bikarbonat vor?
- Antwort: CO2 Gesamt / l Plasma x Körpergewicht /4
- Frage 8: wieviel ml des ausgeatmeten CO2 / Minute stammen aus der Pufferung?
- Antwort: z. Bsp. bei Maximaler Belastung:
CO2-Gesamt am Ende der Belastungsstufe „über LT2“ – CO2-Gesamt am Ende der Belastungsstufe „Maximal“ / 4 (Stufendauer 4 Minuten).
- Antwort: z. Bsp. bei Maximaler Belastung:
Die Ergebnisse unserer Untersuchungen:
In der Tabelle 2 sind die wesentlichen Daten unserer Studie wie oben geschildert, berechnet und zusammen gestellt. Die Intensität der stufenförmigen Belastung wurde wurde nach dem Laktat-Schwellenkonzept angegeben als: „Ruhe“, Belastung unter der Laktat-Schwelle 1 (LT1), zwischen den Laktat-Schwellen 1 und 2 (LT1 und LT2), über der Laktat-Schwelle 2 (LT2) und „maximal“. Dabei wurde eine mittlere VO2max bei den Probanden von 42,3 ± 1,9 ml O2 ·kg-1 ·min-1 (X̅ ± SX̅) gemessen. In der zweiten Zeile der Tabelle findet sich der in der jeweiligen Belastungsstufe erzielte Sauerstoffverbrauch in % der VO2max.
Die Zeilen 3 und 4 geben an, wieviel O2 aufgenommen bzw. wieviel CO2 ausgeatmet wurde, jeweils pro Minute. Durch Division VCO2 / VO2 wurde die respiratorische Austauschrate (RER) ermittelt.
Die Größe VCO2EXT gibt an, wieviel CO2 in Form von physikalisch gelöstem CO2 bzw. in Form von Bikarbonat (HCO3–) im Verteilungsraum des Bikarbonat (wohl identisch mit dem Extrazellulärraum) vorliegen. Der Anstieg dieses Wertes „unter LT1“ zeigt, dass in dieser Phase CO2 im Körper zurückgehalten wurde, was auf eine Hyperventilation wegen der ungewohnten Umgebung und Atmung über eine Maske zu Beginn der Untersuchung erklärt werden kann und sehr häufig zu sehen ist.)
Mit dem Anstieg des Laktats wird zunehmend weniger CO2 im Extrazellulärraum messbar auf Grund eines Absinken des PH-Wertes und des PaCO2, des arteriellen CO2-Partialdrucks, und damit auch des Bikarbonats. Das aus dem Extrazellulärraum freigesetzte CO2 wird über die Lunge abgeatmet, stammt somit aus der Pufferung des Laktat und nicht aus der Oxidation von Substraten auf zellulärer Ebene!
In der zitierten Studie wurde für jede Belastungsstufe ermittelt, wieviel CO2 in der Ausatmungsluft aus der Pufferung des Laktats resultiert. Bei maximaler Belastung stammen in unserem Kollektiv 21,5 % des ausgeatmeten CO2 aus der Pufferung (s. unterste Zeile). Dieses Volumen an CO2 darf nicht zur Berechnung des RER herangezogen werden!
Berechnet man den RER korrekt, so ergeben sich die in der vorletzten Zeile dargestellten Werte. Der eklatante Unterschied im Verlauf von RER und des korrigierten RERkorr kann aus der Abb. 4 abgelesen werden.
Abb. 4: Verlauf des RER und des um den Anteil der Pufferung an der CO2-Ausatmung korrigierten RERkorr im Verlauf der Belastung.[/caption
Verwendet man die um den Effekt der Pufferung korrigierten VCO2 bzw. RERcorr Daten in der indirekten Kalorimetrie, so finden sich die in der Tabelle 3 aufgeführten und in der Abb. 5 visualisierten, tatsächlichen Anteile der Fett- bzw. der Glucoseoxidation für die verschiedenen Belastungsstufen bei unserer Probanden.
Aus den Daten ergibt sich eindeutig, dass selbst bei höchsten körperlichen Belastungen – auch während der unterschiedlichen Belastungssteigerungen in der Spiroergometrie die Fettverbrennung nicht sistiert, sondern in ganz erheblichem Umfang zur Energiebereitstellung beiträgt.
Quintessenz:
Mit dem Wissen eines Schülers im Leistungskurs Chemie können Fehler in medizinischen und sportwissenschaftlichen Lehrbüchern sichtbar gemacht werden. Es bleibt zu hoffen, dass auch die Hersteller von Spiroergometrie-Geräten, Software Entwickler und insbesondere auch Autoren im Internet, die zu dem Thema schreiben, sich die Mühe machen, die hier dargestellten Zusammenhänge nachzuvollziehen und entsprechende Korrekturen vornehmen.
Wichtig erscheint uns auch, darauf aufmerksam zu machen, dass die Verzerrungen durch die Pufferungen des Laktat nur auftreten, wenn sich die Laktat-Konzentration ändert! Bleibt das Laktat z.B. bei einem Dauerlauf über mehrere Minuten konstant, z.B. bei 3 – 4 mmol/l , dann kann man auch wieder den RER zur Beurteilung der Energiebereitstellung aus Glucose bzw. Fettsäuren heranziehen. Dann findet keine Änderung der CO2– bzw. HCO3– Konzentration im Blut statt, dann kommt das ausgeatmete CO2 aus den Zellen!
Viele haben schon lange darauf aufmerksam gemacht, dass es bei der körperlichen Bewegung – besonders wenn es um das Abnehmen geht – auf den Gesamt-Kalorienverbrauch ankommt. Völlig ok! Jetzt haben Sie ein weiteres Argument gegen den Mythos Fettverbrennungspuls zu argumentieren!
Zusätzlich sollte man auch bedenken, dass ein Training, das nicht zu einem (nicht zu starken!) Laktatanstieg führt, sehr wenig effektiv ist, was die Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit und damit der Gesundheit angeht.
Das heißt aber nicht, einen maximalen Laktat-Anstieg an zu streben; das ist aus gesundheitlicher Sicht ebenfalls nicht vernünftig! (s. Laktat-Schwellen Konzept)