Das Laktat-Schwellen Konzept

in Bearbeitung

  

Interessanterweise wartet der Organismus nicht erst, bis das Sauerstoffangebot schon knapp geworden ist – wie man das bei dem Begriff anaerobe Schwelle vermuten könnte. In Abhängigkeit vom Trainingszustand beginnt die anoxidative Glykolyse, die Spaltung von Glucose letztendlich in Milchsäure  schon, wenn beim Untrainierten etwa 30 % beim gut Trainierten ca. 50 % der Kapazität des maximalen Sauerstoffverbrauchs erreicht sind. In dieser Situation kommt es zu einem messbaren Anstieg des Laktat im Blut. Da Laktat ohne Verwendung von Sauerstoff entsteht, verwendet man auch in der internationalen Literatur für diesen ersten Anstieg des Laktat unter Belastung häufig den Begriff „aerobe Schwelle“. Da beim ersten Anstieg des Laktats aber weniger als 5 Promill der zusätzlich zur Verfügung gestellten Energie mittels anaerober Glycolyse erfolgt ( s. Energiestoffwechsel bei Bewegung), halte ich den Begriff  LT1, erste Laktat-Schwelle, für vernünftiger. Lässt er doch Raum für die wichtige Signalfunktion, die dem Laktatanstieg für den Organismus zukommt!   Bei der Glycolyse werden pro Molekül Glucose 2 Moleküle ATP (chemische Energie der Zelle) gewonnen. Bedenkt man, dass bei der Verbrennung von Glucose unter Verwendung von Sauerstoff 36 Moleküle ATP gebildet werden, so ist einsichtig, dass die Bildung von Milchsäure eine sehr ineffektive Art der Energiegewinnung darstellt.

Beim normalen pH-Wert des Blutes von 7,4 spaltet sich die Milchsäure nahezu komplett auf in Laktat und Wasserstoffionen.

Zusammenhang zwischen Milchsäure und Laktat: beim normalen pH-Wert des Blutes zerfällt Milchsäure nahezu komplett in Laktat und Wasserstoff-Ion. Eine Erhöhung der Wasserstoffionen-Konzentration führt zu einer Übersäuerung, einer Azidose. Der pH-Wert des Blutes sinkt.

Mit steigender Konzentration an Laktat steigt auch die Konzentration an Wasserstoff-Ionen im Blut, der pH-Wert sinkt. Der Organismus hat allerdings ein riesiges „Waffenarsenal“, dass er gegen die Entwicklung einer Übersäuerung durch die vermehrte Laktat-Bildung einsetzt. Eine wesentliche Rolle spielt das Phänomen, dass Laktat in wenig belasteten Muskeln, im Herzen, im Gehirn und auch in anderen Organen oxidativ, also unter Verwendung von Sauerstoff zur Energiegewinnung verwendet wird. Mit steigender Konzentration des Laktat im Blut wird seine Aufnahme in diese Zellen gesteigert, was die Geschwindigkeit des Laktat-Anstiegs bei zunehmender Belastung reduziert.

Neben der Elimination von Latkat aus dem Blut spielen die verschiedenen Puffersysteme bei der Verhinderung der Ausbildung einer Azidose durch den Laktat-Anstieg eine entscheidende Rolle. Der mit Abstand wichtigste Puffer ist das Bikarbonat, das bei Einleitung von CO2 in Wasser im Gewebe entsteht.

Der Weg des CO2: Bei der Verbrennung entsteht in der Zelle CO2. Dieses gelangt in Blut. Dort verbindet es sich mit Wasser zur Kohlensäure. Beim physiologischen pH von 7,4 zerfällt die Kohlensäure zu 95 % in Bicarbonat und Wasserstoffionen. Gelangt das Blut in die Lunge wird CO2 abgeatmet und über Kohlensäure aus Bicarbonat in einem von Enzymen, Katalysatoren, beschleunigten Prozess nachgeliefert. Unter normalen Bedingungen wird so viel CO2 abgeatmet wie gebildet wird. Es besteht ein Gleichgewicht.

Das Bicarbonat an sich kann schon Wasserstoffionen abfangen, puffern, da die Kohlensäure ja – im Gegensatz zur Milchsäure – bei normalem pH-Wert nur zu 95 % dissoziiert ist. Die viel höhere Bedeutung erlangt der Bicarbonat-Puffer allerdings durch das Phänomen, dass bei auch nur geringem Anstieg der Wasserstoffionenkonzentration mehr CO2 über die Lunge (das respiratorische System) ausgeatmet wird –  ein offenes Puffersystem! Das Entstehen einer Azidose wird über das respiratorische System weitestgehend aufgefangen, kompensiert. Wird die Lieferung von Wasserstoffionen über die vermehrte Bildung infolge anaerober Glycolyse – also durch den Stoffwechsel, den Metabolismus – ausgelöst, so kommt es zunächst zu einer „respiratorisch kompensierten, metabolischen Azidose“. Die Lunge macht somit den Bicarbonat-Puffer – im Gegensatz zu allen anderen Puffersystemen des Organismus – zu einem „offenen Puffersystem“ mit extrem hoher Kapazität.

Bei weiterer Steigerung der Belastung steigt die Menge des im Blut messbaren Laktats deutlich an. Ein Anstieg der Laktat-Konzentration im Blut um 1,5 mmol/l über den niedrigste messbare Laktat-Konzentration wurde als die 2. Laktatschwelle (LT2) definiert. Spätesten ab dieser Laktat-Konzentratzion steigt auch die Wasserstoffionenkonzentration, es kommt zur Azidose mit all ihren negativen Folgen.  In der Literatur wird diese Schwelle meist als – je nach Messverfahren – individuelle anaerobe Schwelle bezeichnet, obwohl in diesem Bereich der Belastung deutlich weniger als 2 % der zusätzlich verwendeten Energie aus dem anaeroben Stoffwechsel stammen!

In vielen Publikationen wird davon ausgegangen, dass ab der LT2, ab einer Konzentration des Laktat um 4 mmol/l, die Kapazitätsgrenze der Aufnahme von Laktat in die nicht überbelasteten Muskeln, das Herz und die anderen Organe erreicht sei, das deswegen die Konzentration so stark ansteige (MaxLaSS; Maximale Laktat im Staedy State). Hat man diesen Grad der Belastung überschritten, so steige das Laktat auch bei gleichbleibender Belastung weiter an, man werde sicher sauerer. Diese Annahme ist bis heute mit entsprechenden experimentellen Daten nicht ausreichend belegt. Bei höheren Belastungen dauert es sicher länger als 3 – 4 Minuten, die eine Belastungsstufe im Test üblicherweise dauert, bis ein sicheres Steady State erreicht wird. Unabhängig davon, ob alle Annahmen beim Laktat-Test stimmen, haben viele Untersuchungen gezeigt, dass man mit den gewonnenen Ergebnissen das Training erfolgreich steuern kann.

Zusammenfassend lassen sich zwei Laktat-Schwellen definieren, die beide nicht durch die Notwendigkeit der anaeroben Bereitstellung von Energie gekennzeichnet sind:

An der LT1 wird dem Organismus ein Signal gegeben, dass ihn zumindest bei häufiger Überschreitung zu den verschiedensten Anpassungsvorgängen veranlasst.

Ab der LT2 steigt die Wasserstoffionen-Konzentration so stark an, dass – wenn diese Schwelle längere Zeit überschritten wird-,  mit Nachteilen für den Organismus zu rechnen ist.

Welche Bedeutung hat das Laktat-Schwellen Konzept?

In dem auf dieser Homepage vermittelten Laktat-Schwellen Konzept wird davon ausgegangen, dass die Bildung von Laktat durch anaerobe Glycolyse ein Signal für den Körper darstellt, und nicht die Folge eines Sauerstoffmangel ist.  Dazu ist die anaerob zur Verfügung gestellte Bereitstellung von zusätzlicher Energie von weniger als 5 % selbst an der VO2max viel zu niedrig.

Hören wir also auf die Signale unseres Körpers, die Sportwissenschaftler haben ihn über Jahrzehnte „belauscht“.

Das Laktat-Schwellen Konzept hat sich in der Sportwissenschaft zur Steuerung der Trainingsintensitäten eindeutig bewährt. Heute kann man wohl davon ausgehen, dass erst mit dem ersten Anstieg des Laktats, beim Überschreiten derLT1, eine nennenswerte Trainingsintensität erreicht wird. Darüberhinaus sprechen viele Untersuchungen dafür, dass die meisten positiven Effekte des Sports über das Signal des Laktat-Anstiegs vermittelt werden.

Etwa mit der LT2 wird angezeigt, dass der Körper zunehmend übersäuert. Mit dem Auftreten vielfältiger, negativer Wirkungen ist zu rechnen. Als Endokrinologe muss ich an dieser Stelle schon erwähnen, dass u.a. auch das Cortisol  im Blut ansteigt. Das katabole, den Eiweißabbau unterstützende  Hormon Cortisol begünstigt  die Bereitstellung von Aminosäuren in der arbeitenden Muskelzelle zur Energiegewinnung. Ein Abbau von Muskeleiweiß ist die Folge; kontraproduktiv bei den Bemühungen zum Muskelaufbau! Interessant – wenn auch noch wenig untersucht – sind auch die Auswirkungen einer Dauerbelastung oberhalb der LT2 auf den Calcium-Stoffwechsel. Profi-Radsportler sollen einen niedrigeren Calcium-Gehalt des Knochens haben. Das Bild aus der Süddeutschen Zeitung in Bezug auf die hustenden Ausdauerläufer sei hier nur noch einmal kurz erwähnt.

Empfohlene Trainingsherzfrequenz in Abhängigkeit von den Laktatschwellen LT1 und LT2. Für  Freizeit- und „Gesundheitssportler“ sei eine Anfangs-Trainings-Herzfrequenz zwischen derLT1 und derLT2 empfohlen. In diesem Fall bei ca 108 Schlägen pro Minute

Zur Bedeutung des Laktat s. Kapitel Anpassung der Trainingsherzfrequenz.

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