Alle reden vom Wasserstoff
als vernünftigste Energiequelle für viele Prozesse. Das Brennstoffzellenauto, das Wasserstoff – in verschiedenen Prozessen außerhalb des Autos gewonnen – zur Produktion von Strom verwendet, gilt als die Antriebsart der Zukunft.
Da ist die Biologie doch schon viel weiter! Sie verwendet die Wasserstoff-Technologie doch schon immer und das sogar ohne Wasserstofftankstellen! Der Wasserstoff wird im Organismus aus energiereichen Substraten – vorwiegend aus Kohlenhydraten und Fetten im Zitronensäurezyklus – gewonnen (produziert) und als NADH/H+ bzw. FADH2 gebunden. Anschließend wird in der Atmungskette (unserer Brennstoffzelle) der Wasserstoff kaskadenförmig in kleinen Schritten auf den Sauerstoff übertragen. Dabei entsteht der „Strom des Organismus“, das energiereiche Substrat ATP! (Ein Beitrag zur Effektivität der verschiedenen Prozesse folgt). Die „Strom-“ (ATP-) Produktion erfolgt nach Bedarf, „on demand“; lediglich eine kleine Batterie in Form der energiereichen Phosphate gleicht einen rasch steigenden Energiebedarf zu Beginn einer Bewegung aus.
Obendrein sind wir nicht darauf angewiesen, dass die Sonne immer scheint oder mindestens der Wind bläst, nein wir haben unsere Reserven, unsere Fett-Depots immer bei uns (manch Einem/r täte eine längerdauernde Unterversorgung mit „Treibstoff“ – ein längeres Fasten – gar nicht schlecht!).
Aus der Sicht der Größe, (des Wertes) des Depots ist es weitgehend irrelevant, in welcher Form wir unsere Energiedepots angreifen. Letztendlich kommt es in der Bilanz nur darauf an, ob wir mehr Kalorien zugeführt oder verbraucht haben. Die Gebühren für den Wechsel von Kohlenhydraten zu Fett und vice versa sind vernachlässigbar, was die vielen Diskussionen, welches Substrat zur Energiegewinnung in welcher Situation verwendet wird, erheblich relativiert! Beim Abnehmen kommt es insgesamt auf die Kalorienbilanz an!
Energiestoffwechsel bei Bewegung
Ruhebedingungen
In Ruhe, unter Grundumsatzbedingungen gewinnt der Organismus seine Energie vorwiegend aus der Verbrennung von Glucose und Fettsäuren. Das Verhältnis von oxidierter Glucose zu oxidierten Fettsäuren hängt dabei wesentlich davon ab, ob die Person gerade erst gegessen hat, also viel Glucose anbieten kann oder ob sie schon lange nichts mehr an Kalorien zugeführt hat. Dann verbrennt sie in erster Linie Fettsäuren.
Bei der sogenannten Spiroergometrie kann man unter Ruhebedingungen recht genau ermitteln, wieviele Kalorien verbraucht werden und ob sie aus der Verbrennung von Glucose oder Fettsäuren stammen. (s. indirekte Kaloriemetrie). Das ist deswegen möglich, weil bei Verbrennung isoliert von Glucose 1 Mol CO2 pro Mol Sauerstoff gebildet wird, bei Verbrennung von Fettsäuren aber nur 0,7 Mol CO2/Mol O2.
Beginn einer Belastung
In Ruhe sind unsere Energie-bereitstellenden Systeme auf Grundlastbedingungen geschaltet. Der Organismus stellt nur soviel chemische Energie zur Verfügung, wie gebraucht wird. Ein Reservoir aus energiereichen Phosphaten (ATP und Kreatin-Phosphat) steht aber zur Verfügung, um sofort – nahezu explosionsartig – zur Flucht oder zum Kampf gerüstet zu sein. Die Intensivierung der aeroben Energiebereitstellung, also der Energiebereitstellung, bei der Sauerstoff verbraucht wird, zur Verbrennung von Glucose dauert einige Sekunden, die von Fettsäure sogar noch etwas länger. In dieser Phase kommt es bei Bedarf zu einer nicht oxidativen (anearoben) Energiebereitstellung über Laktat. Dabei wird Glucose unter Bereitstellung von nur 2 Molekülen ATP gespalten.
Bedenkt man, dass bei der Oxidation, dem aeroben Stoffwechsel, (also unter Verbrauch von Sauerstoff) von 1 Molekül Glucose 32 Moleküle ATP gebildet werden, so wird klar, dass die anaerobe Energiebereitstellung nur eine Art Notstromaggregat ist, dass mit dem Anspringen der aeroben Energiebereitstellung wieder abgeschalten wird. Das meiste Laktat befindet sich zu dem Zeitpunkt noch in den Muskelzellen und wird umgehend unter gleichzeitiger Umwandlung zu Pyruvat in die Mitochondrien transportiert und dort im Citronensäure-Zyklus abgebaut.
Körperliche Belastung
Die meisten Daten zur Energiebereitstellung unter körperlicher Belastung haben wir aus spiroergometrischen Belastungstesten, bei denen in unterschiedlichen Intervallen die körperliche Belastung gesteigert wird, entweder in kurzfristigen, kleinschrittigen Intervallen (Rampentest) oder in größeren Steigerungsstufen alle drei bis vier Minuten (Stufentest). Gemessen wird bei diesem Test u.a., wieviel CO2 ausgeatmet (VCO2) und wieviel O2 über die Atemluft aufgenommen wird (VO2). Das Verhältnis des VCO2 zu VO2, der respiratorische Quotient, oder besser die respiratorische Austausch (exchange) Rate (RER) erlaubt einen Rückschluss darauf, wieviel Energie aus Fettsäuren bzw aus Glucose durch Oxidation bereit gestellt worden ist. Zu Detail siehe : Indirekte Kaloriemetrie. Zu den erheblichen Fehldeutungen in Folge der Pufferung der Laktat-Bildung und der Hypervetilation wird in den entsprechenden Kapiteln ausführlich Stellung genommen.
Bei diesem Vorgehen kommt es ab einer bestimmten Belastung (Schwelle) zu einem Anstieg des Laktats im Blut – bei schlecht Trainierten sehr viel früher als bei gut Trainierten. Der Anstieg des Laktat im Blut hat eine von der Energiebereitstellung unabhängigen CO2 Abatmung über die Lunge als Resultat der Pufferung zur Folge(zu Details s. Fettverbrennungspuls). Berücksichtigt man die Freisetzung von CO2 in Folge der Pufferung nicht, dann deutet man fehlerhaft den Anstieg des Quotienten aus VCO2 / VO2 (des respiratorischen Quotiente, RQ oder besser des RER, der respiratorischen Austauschrate) als Abnahme, ja als Sistieren der Fettverbrennung bei sehr intensiver, körperlicher Belastung.
Im Gegensatz zu den Ruhebedingungen ist daher eine einfache Abschätzung des Verhältnisses von Glucose- zu Fettverbrennung bei dieser Art der Belastungsuntersuchung nur möglich, wenn zusätzlich über die Bestimmung der Blutgase ermittelt wird, wie hoch der Anteil des CO2 ist, der nicht aus dem Stoffwechsel, sondern aus der Pufferung des Laktats resultiert (Lotz et al 2019). Kurz vorweg: die Anteile von Glucose und Fett, die zur Energiegewinnung verwendet werden, ändern sich selbst bei maximaler Belastung nicht nennenswert!
Aus dem RER kann man auch unter Belastung ohne zusätzliche Blutgasanalyse auf die Energiebereitstellung durch Oxidation von Glucose oder Fettsäuren zurückschließen, wenn man in Steady State des Laktats untersucht, wenn also das Laktat über die Dauer von ca 10 Minuten nicht mehr angestiegen ist, also bei gleichbleibender Dauerbelastung.
Mit zunehmender Belastung kommt es zu einem weiteren Anstieg des Laktat auch im Blut. Da Laktat ohne Verwendung von Glucose, also anaerob, aus Glucose gebildet wird, sprechen auch heute noch viele mit Ansteigen des Laktat im Blut vom Übergang des aeroben Stoffwechsels zu einem gemischt aerob / anaerobem Stoffwechsel, bei weiterem Anstieg von einem anaeroben Stoffwechsel.
Wie hoch ist aber der Anteil des im Blut nachweisbaren Laktat an der Energiegewinnung unter Belastung?
In der Literatur liest man nahezu immer, dass der Anstieg des Laktats anzeige, dass die Energiebereitstellung für die Belastung zunehmend anaerob, also in steigendem Ausmaß ohne Sauerstoffverbrauch erfolge. Wenn der Anteil des anaeroben Stoffwechsel an der Energiebereitsstellung ein nennenswertes Ausmaß hätte, dann wäre allerdings zu erwarten, dass der Sauerstoffverbrauch pro Watt im oberen Leistungsbereich nennenswert geringer sein müsste, als im rein aeroben Bereich.
Die oben dargestellte Abbildung zeigt aber, dass mit steigender Belastung (gemessen in Watt) keinesfalls eine Abnahme des Sauerstoffverbrauchs zu sehen ist. Da der Sauerstoffverbrauch/Watt auch im sogenannten anearoben Bereich aber nicht nennenswert niedriger ist, als bei niedrigen Belastungsstufen, soll im Folgenden der Anteil des Laktats an der Energiebereitstellung, der Anteil des anaeroben Stoffwechsels an der Energiebereitstellung für die verschiedenen Belastungsstufen in einem von uns untersuchten Kollektiv berechnet werden. Dabei wird aber nur der Anteil des Laktats, der im Blut erscheint in die Berechnungen mit einbezogen. Der viel größere Anteil des Laktat, der intrazellulär als Zwischenprodukt des Glucose-Stoffwechsel gebildet wird, dann aber gleich in den Mitochondrien oxidativ weiter verarbeitet wird, hat mit anoxidativem Stoffwechsel nichts zu tun!
Grundlage für die Berechnung sind Daten, die wir an 8 Sportlern erhoben haben, die einem Stufentest mit einer Steigerung des Belastung alle 4 Minuten um 40 Watt unterzogen wurden (Lotz. et al, 2019). Bei diesen Probanden erfolgte neben der Laktat-Bestimmung eine Blutgasanalyse und eine Atemgasanalyse (Spiroergometrie). Die Details der Untersuchung sind im Kapitel „Fettverbrennungspuls„ dargestellt.
Ausgangspunkt für die Berechnung sind die in der Tabelle 3 auf der Seite „Fettverbrennungspuls“ aufgeführeten Daten, unter Verwendung des um den Effekt der Pufferung korrigierten RER.
Der Kalorienverbrauch pro Minute für die jeweilige Belastungsstufe in Form der Oxidation von Glucose bzw. Fettsäuren wurde der Publikation (Lotz et al, Tabelle 3) entnommen, vermindert um den jeweiligen Ruheumsatz . Es wurde von einem Kaloriengehalt von 4 kcal/g Glucose bzw von von 9 kcal/g Fettsäuren ausgegange. Das Molekulargewicht von Glucose wurde mit 180 g x mol-1, für Fettsäuren stellvertretend für andere von Palmitinsäure (256 g x mol-1) ausgegangen. Die Bildung von ATP aus 1 Mol Glucose wurde mit 32 mol ATP, für 1 Mol Palmitinsäure mit 129 mol ATP angenommen.
Aus der Tabelle kann man entnehmen, dass die arbeitende Muskulatur unterhalb der 1. Laktat-Schwelle weniger als 1 Prozent der zusätzlich verbrauchten Energie aus der Laktat-Freisetzung ins Blut gewinnt. Bei Belastungen zwischen der LT1 und der LT2 trägt die Glycolyse knapp 1,3 Prozent zur zusätzlichen Energiebildung bei. Auch unter maximaler Belastung beträgt der Anteil der anaeroben Glycolyse an der ATP-Bereitstellung weniger als 2,5 %.
Bei dieser Kalkulation wird allerdings nicht berücksichtigt, wie viel Laktat während einer intensiven Belastung intrazellulär gebildet und dann in der gleichen Zelle oxdiert wird oder durch andere Organe aufgenommen und verbrannt wird. Es ist davon auszugehen, dass die Menge des Laktats, das von nicht an der muskulären Aktivität teilnehmenden Zellen aus dem Blut eliminiert wird, mit die Konzentration des Laktat im Blut ansteigt. Die Größenordnung für die Laktat-Aufnahme währen der Belastung kann man aus den Laktat-Abklingkurven im Anschluss an eine Belastung durchaus verlässlich abschätzen. Abnahme-Geschwindigkeiten von mehr als 1 mmol Laktat/l/min werden selbst bei sehr gut trainierten Athleten nach einer Ausbelastung nicht erreicht.
Rechnet man die Laktat-Elimination während der Maximal-Belastung zum Laktat-Anstieg hinzu, dann lässt sich unter maximaler Belastung ein Anteil des Laktat an der zusätzlichen Energiebereitstellung von weniger als 5 % berechnen!
In der oben gezeigten Abbildung sind die Verhältnisse aus der darüber gezeigten Tabelle visualisiert. Wir hoffen, dass der minimale Anteil der Energiegewinnung, die aus dem anaeroben Stoffwechsel resultiert auch auf einem Handy noch als rote Linie zu sehen ist!
Für die geringen Mengen an anaerob zur Verfügung gestellter Energie den Begriff „anaerober Stoffwechsel“ zu verwenden, ist meines Erachtens nicht hilfreich! geradezu irreführend!
Da der anaerobe Stoffwechsel in seinem Anteil bis hin zur Maximalbelastung weniger als 5 % der Energiebereitsstellung beträgt, sollte die Bezeichnung der Laktatschwellen als aerob bzw anaerob Schwelle unterbleiben. (s. auch welche Bedeutung ….)
Super! Vielleicht funktioniert deswegen Intervalltraining und polarizde training so gut, um Peaks (kurze aber dafür hoch) an Laktatsignale an den Körper für die Adaption zu senden. Eigtl. sollte es demnach (außer Sprints) keine Unterscheidung aerobes vs anaerobes Training geben und auch dem Marathonläufer schaden 400 m Intervalle nicht. Was Garmin dann als anaerobe vs aerob training effect ausgibt, macht das noch Sinn?